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von Onkel Max |
Nein, es hilft auch nicht, das Fenster zu schließen.
Dumpf grollend dringt traniger Klangbrei in mein Tuskulum, denn vor dem
2 Kilometer entferntem Reichstagsgebäude geht die "englische Supergruppe"
Pink Floyd ihrem fragwürdigen Handwerk nach, so laut wie aufeinanderprallende
Planeten, so laut, daß man sogar den Text verstehen kann: "Scheine
weiter, du verrückter Diamant" grölt es; und ich nehme es persönlich:
Ja, ich werde weiterscheinen, das verspreche ich. Sonst würden wir
verrückten Diamanten ja auch gar nicht auffallen, in dieser verrückten
Welt voll "Nagellack in den verrücktesten Farben" oder "Echt verrückten
Möbel-Ideen für total wenig Moos"(Originalzitate aus Tagesspiegel-Prospektbeilagen).
Verrückte Farben? Verrückte Möbel? Es kommt noch schlimmer:
"Verrückte" Vegetarier
Berlin (IWE). Vegetarier erscheinen vielen
DDR-Bürgern, die im statistischen Durchschnitt täglich
mehr als ein halbes Pfund Fleisch in Form von Buletten, Bockwurst,
Kotelett und Wurst verzehren, als nicht "normal" oder sogar
"verrückt", wie die Ost-Berliner Zeitschrift "Deine Gesundheit"
berichtet hat. Das Blatt dagegen nannte die vegetarische Kost
für diejenigen, die problemlos auf Fleisch verzichten
können, "sicher eine gute Möglichkeit gesunder Ernährung". |
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Ergötzlich, was Spießer so alles für verrückt
halten. Einmal saß ich beim Friseur, und eine adrett aussehende
junge Frau bat die Friseurin, sie möchte doch mal etwas "ein bißchen
verrücktes mit ihrem Kopf" machen. Eine Stunde später sah sie
aus wie eine für einen dänischen Punker-Porno ausstaffierte
Backfischnutte. Anschließend hat sich die unvorteilhaft Verwandelte
sicher ein Micky Maus-Telephon und einen Marilyn Monroe-Spiegel gekauft
oder sogar ein Saxophon. Saxophone gelten als Inbegriff des Verrückten
und Weltstädtischen. Kaum eine Werbung, die auf Jungvolk zielt, sei
es für Haarlack oder Berufsanfänger-Konto, kommt ohne einen
schmiermähnigen, den Unterleib nach vorne stemmenden und manhattanhaft
energetischen Saxophonisten aus, was dem Image dieses wunderbaren Instrumentes
schon sehr geschadet hat. Mein Freund Axel, bekannt als Efa-Axel, Axel
Schultz geb. Knabben oder NewNoise-Axel, ein begnadeter Saxophonspieler,
meint übrigens verwegenerweise, eine Grundvorrausseztung zu saxophonischen
Glanzleistungen sei das Vorhandensein eines Penisses am Körper des
Musikers - eine These, der ich nach jahrelangem kritischen Beobachtungen
der Leistungen nichtpenisbehafteter Saxophonisten allmählich mein
Einverständnis anbieten kann. Eigentlich bin ich der hochaktuellen
Auffassung, daß Frauen alles können, was Männer auch können,
z.B. Abwaschen, Steno, Einkaufen, Kaffee kochen, abends stöhnen und,
wie gesagt, vor allem Abwaschen, aber Saxophon spielen können sie
wirklich nicht. Axel kann dafür nicht Harfe spielen, was sich bei
seinen groben rheinischen Rowdypranken auch nicht gut machen würde.
Andererseits ist hier aber anzumerken, daß nicht nur annähernd
100% der Frauen nicht Saxophon spielen können, sondern auch schätzungsweise
99,9% noch nicht einmal die Harfe zu bedienen imstande sind. Ein Mißstand
ist das aber nicht. Im Gegenteil: Ein Mißstand wäre es vielmehr,
wenn z.B. Bolle-Verkäuferinnen hinter ihren Verkaufstresen, statt
mehr oder minder munter und flott Käse und Speck feilzubieten und
abzuschneiden, Harfe spielen würden. Die Kunden würden außer
sich geraten, die Harfenistinnen schreiend auffordern, mit dem himmlischen
Geklimper aufzuhören und doch lieber wie gewohnt Käse, Speck
oder auch Teewurst feilzubieten und abzuschneiden. Ein Chaos käme
zustande: Aufgebrachte Konsumenten schritten zum, wie man heute sagt,
"proletarischen Einkauf", d.h. sie würden die ihnen verweigerte Ware
mopsen, wegnehmen, rauben und unbezahlt vertilgen. Doch so ist es nicht
Das gute an den meisten Mißständen ist, daß sie nicht
bestehen. Bonn ist nicht Weimar und Bolle kein Elysium. Dafür sollten
wir dankbar sein und Bolle-Verkäuferinnen freundlich anlächeln,
wenn sie uns das nächste Mal Käse, Speck oder vielleicht auch
mal Preßsack abschneiden und einpacken, statt Harfe zu spielen.
Freundlich und ohne zu klagen die einem zugewiesene Arbeit zu verrichten,
ist zwar nicht verrückt, aber vornehm und fein. Diese Ansicht ist
leider nicht modern. Die Leute wollen "verrückte Klamotten", wie
z.B. geblümte Hemden und raubtierkatzengemusterte Schlauchhosen anziehen
und sich schwarze Balken ins ungewaschene Gesicht schmieren. Warum? "Weil's
verrückt ist." Oder: "Um sich von der Masse abzuheben", wie neulich
eine Tanzpalastbesucherin in einer Radiosendung über Jugendstyling
dämlich und freimütig angab. Wie entlarvend, merke ich hier
hochmütig an, denn, natürlich kann nur einer, der der Masse
angehört, den Drang empfinden, sich von der Masse abzuheben. Wer
sowieso nicht der Masse angehört, braucht keinen bunten Plunder und
wirre Frisuren. Wer nicht der Masse angehört, wird sich hüten,
sich irgendwie auffällig zu gebärden, um von der Masse nicht
völlig in den Abgrund getrieben zu werden. Das sieht leider nicht
ein jeder ein. Als ich neulich von der Sendung "45 Fieber" dazu angehalten
wurde, einen Text vorzutragen, lauteten die einzigen Bedingungen, daß
der Text nicht länger als eine Minute lang sein sollte und ich mir
"optisch etwas möglichst Verrücktes" einfallen lassen möge.
Dann saß ich an der Spree, mit einer Kreissäge auf dem Kopf,
was mindestens so verrückt war wie Cherry Cola und Nina Hagen zusammen.

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Es gibt
aber sonst noch allerhand verrückte Dinge in dieser Stadt,
zum Beispiel ein Versicherungsbüro für homosexuelle Männer!
Das Unternehmen wirbt mit der Zeile: "2 schwule Männer in einer
Haftpflicht". |

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