und abgerechnet wird zum Schluß
Es wird immer schlimmer. Da wird geschnitten und gecuttet, verstümmelt und rausgenommen, verboten und verbannt, indiziert und beschlagnahmt! In unserem Land wütet die Zensur ohne Gnade und wie nie zuvor. Fangen wir bei der Filmindustrie an. Da kommen R-Rated Fassungen (in den USA freigegeben ab 17 J.) aus den USA über England nach Germany, wo als erstes die Freiwillige Selbstkontrolle die Filme in die Finger bekommt um alles das rauszuschnippeln, was unsere zartbesaiteten Gemüter nicht ertragen könnten. Ist der Film im Kino gelaufen und es ist Zeit für die Videoauswertung, stürzt sich die Bundesprüfstelle (BPS) auf den Rest des Films und schnippelt all das heraus, was meiner Oma schon nur noch ein müdes Lächeln entlockte. Grausamer Höhepunkt war die Videoversion des sowieso nicht allzu gelungenen "Nightmare on Elm Street 2": Die Fans liefen Sturm gegen das Stückwerk, es hagelte Proteste bei der BPS und dem Verleih. Der Skandal war da. Als die Warner Bros. Zugaben, den Film selbst gekürzt zu haben, um so der BPS schon vorzugreifen.
SELBSTZENSUR war das Schreckenswort, was dann durch die Presse geisterte. Heute gehört es zum guten Ton, wenn in den stinkkommerziellen Kinozeitschriften da geschrieben steht: "hoffentlich läßt die FSK noch was von diesem Streifen über" oder "da wird der Staatsanwalt aber noch ein Wörtchen mitreden" usw. Zum Heulen und Kotzen ist die geheuchelte Entrüstung einiger dieser bunten Scheißblätter. Nachdem Cinema lauthals verkündete, daß "Day of the Dead" (Zombie2) über 60mal von der FSK geschnitten sei, floppte der Film im Kino völlig und wurde auf Video ein Reinfall. Das wiederum nervte die Videothekenbesitzer. "Das merkt ja der dümmste Proll, was da läuft" meinte ein Videothekar, der sich überlegt, ob er die speziellen Streifen, die seine Kunden so lieben, nicht aus England holt, wie einige seiner Kollegen in der City es seit einiger Zeit schon machen. Natürlich floriert auch ein reges Tauschgeschäft mit englischen, amerikanischen ungeschnittenen Versionen, die hier so verstümmelt werden; oder mit den Streifen, die hier bei uns erst gar keinen Verleih finden. Einige Raubkopierer witterten das große Geschäft mit den meist englischspachigen Kopien, und natürlich wurden auch einige dieser Leute von der Polizei hochgenommen.

In England und letzte Zeit auch hier bei uns versucht man jetzt, auch die Sammler - also die, die Videokopien sammeln wie Schallplatten - zu kriminalisieren, wie einige Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen in der letzten Zeit zeigen. Aber noch einmal zurück zur BPS. Die indiziert nicht nur Videos und schlägt diese zur Bundesweiten Beschlagnahmung vor (wie fast in 40 Fällen),sondern zensiert auch Computerspiele, Zeitschriften, Schallplatten, Bücher und Comix. Und gerade bei den beiden letztgenannten wüten unsere Moralwächter, die keinen Sinn für Humor haben, geschweige denn für Comickunst.

Ficken ist gesund Fingierte Hängung

Für die Jungs von der Prüfstelle ist alles, was über Fix und Foxi und Asterix hinausgeht, nicht ganz geheuer, und es könnte ja dem gesunden Volksempfinden schaden. So erscheinen einige Comix gar nicht mehr oder mußten eingestellt werden. Andere erschienen mit retuschierten Bildern (wie Heilmann oder Rank Xeron), und da, wo man nichts mehr übermalen konnte, mußten schwarze Balken gesetzt werden! Auch hier mußten die Künstler oft sich selbst zensieren. Bei dem Rank Xeron Album wurden sogar ganze Seiten heraus gekürzt!

Bei den Büchern dürfte der jahrelange Streit um die Tagebücher der Josefine Mutzenbacher bekannt sein, ob es den nun Pornographie sei oder nicht. Das Buch wurde beschlagnahmt, wieder freigegeben, aufs neue indiziert, wieder beschlagnahmt usw. usf. Auch Norman Spinrads Roman "Der Herr des Hakenkreuzes" war unseren Wächter der Moral ein Dorn im Auge. Der Titel muß es wohl gewesen sein und die Detailfreude Spirads bei der Beschreibung der Gewalt. Spinrad (polnischer Abstammung und Ex KZ-Häftling) erzählt in seinem Roman im Stil der SF- und Fantasyromane, wie ein junger reinrassiger Held zum Führer eines Volkes wird und den ulta-Faschostaat gründet und alles auslöscht, was nicht rein ist. Änlichkeiten waren beabsichtigt, doch die blanke Satire mit den bösen Seitenhieben auf die Fantasyliteratur war zu starker Tobak.

Das Buch verschwand und tauchte später wieder auf: In Plastik eingeschweißt, mit roter Warnplakette versehen, daß dieses Buch Minderjährigen nicht zugänglich gemacht werden dürfe; und mit entschärften Titel, bei dem das Gesunde Volksempfinden nicht verletzt wurde: "Der Stählerne Traum"!! Die BPS kürzt und indiziert heute lustig weiter, wobei sie sich ab und zu auch mal selbst ans Bein pisst. Als sie z.B. die Duschszenen in Psycho auf Video kürzte und damit Kritik von allen Seiten bekam, oder als sie die allseits (seitdem) bekannte Ärzte Scheibe indizierte und damit einen der größten Verkaufshits (für deutsche Verhältnisse) den Weg bereitete und die gesammte Branche sich eins ins Fäustchen lachte!
"Die meisten Männer werden allein durch den Anblick einer begehrendwerten Frau schon so weit sexuell erregt, daß sie nun auch miteinander geschlechtlich verkehren möchten."
Oswalt Kolle
Dein Mann, das unbekannte Wesen
Paar

2. TEIL: ÜBERFALL DER TEUFliSCHEN BESTIEN

In Berlin bekamen unsere staatlichen Sittenstrolchwächter ja Hilfe aus einer Ecke, aus der man das ja nicht erwartet hätte oder wie andere meinen, aus der Ecke, aus der das schon lange erwartet wurde. Diskussion hin oder her: Kinderfickerpornos und solche Filme, in denen Frauen und auch Männer mit heißen Nadeln oder Zigaretten gefoltert werden, sind Müll und gehören auch dahin. Ebenso Computerspiele, auf denen Türken gejagt werden oder Frauen von Sklavenhändlern durch den Dschungel getrieben werden, mit dem Ziel, sie einzufangen und möglichst viele in einen Käfig zu stecken. Die Aktionen vor und in den Läden, wo sowas vertrieben wurde, waren nötig, erfolgreich und publicityträchtig! Aber was da sonst noch alles unter dem Deckmantel der nackten Empörung und falscher Moral lief, war einfach erbärmlich. Da war die TAZ-Pornoseite, die keine war, und die häßliche Halstuchredaktion, die einen Skandal wollte, ihn bekam und somit sich volkswirtschaftlich verhielt und die Auflage steigerte!
Da war der gemeine feige Überfall auf das SPUTNIK im Wedding, der kurze Zeit später kriminellere Überfall auf das EISZEIT in Kreuzberg und der nicht so folgenschwere aber doch zum Nachdenken anregende Tränengas-Zwischenfall im XENON in Schöneberg; während der Vorstellung des Paul Verhoeven Films "Fleisch und Blut". Kein Wunder, daß die Betreiber der Kinos keinen Fun mehr haben und sich finanziell es sich auch gar nicht leisten können, da sie eben nicht die Kommerzkacke machen wollen. Aber all das wissen wir ja, und es ist die letzte Zeit viel darüber geschrieben und geredet worden. Aber wenn Ihr weiter solch ein Programm sehen und weiter euren schlechten Geschmack pflegen wollt, solltet ihr auch dazu stehen. Geht hin zu Eurem kino, zeigt Eure Solidarität und paßt auf, daß solche miesen Geschichten sich nicht wiederholen können!!!

Heiner Thimm

© 1988 Ich und mein Staubsauger    [Zurück zum Titel]