Sabinchen aus Treuenbrietzen und anderes, was Frauen betrifft Den lieben Lesern, sowohl denen mit Busen als auch denen ohne diese vieldiskutierte Sonderausstattung, wird ohne weiteres anhand der Überschrift dieses Beitrages aufgefallen sein, daß es hier um das ca. 30 km südlich von Potsdam gelegene Landstädtchen Treuenbrietzen gehen soll, sicher den meisten bekannt aus dem Volkslied "Sabinchen war ein Frauenzimmer": "Da kam aus Treuenbrietzen ein junger Mann daher / der wollte gern Sabinchen besitzen / und war ein Schuhmacher". Wem liegen diese Zeilen nicht gelegentlich auf den lippen? Viel lieber als über das schläfrige Treuenbrietzen würde ich über das Großstadtgesumse von Kairo beispielsweise berichten, doch war ich noch nie dort - insofern muß ich halten, was die Überschrift verspricht. Ich würde meinen Artikel auch gerne damit beginnen, von blühenden Blümchen, behaglichen Sesseln, gebildeten Bürschchen, oder kuscheligen Kissen zu schwärmen, aber nein: Ich beginne ihn mit einer Frau, die ich neulich beobachten konnte, wie sie eine mindestens drei Meter lange Gardinenstange durch einen Paßkontrollschalter am Bahnhof Friedrichstraße transportierte, was ihr verständlicherweise nicht leicht fiel, aber unter den hinter ihr Anstehenden für Amüsement sorgte an einem Ort, wo von Amüsement normalerweise ebensowenig die Rede ist wie von behaglichen Sesseln. Man könnte geradezu sagen daß dem lieben Gott, angenommen er hätte bei der Erschaffung der Welt einen Gegenpol zu einer blühenden Blume oder einem kuscheligen Kissen errichten wollen, wohl so etwas wie der Grenzübergang Friedrichstraße hätte vorschweben müssen. Neben der Gardinenstangentransporteurin fiel mir noch eine zweite Frau auf, und zwar eine ältliche, die mikroskopisch klein war, so daß sie nicht an die Scheibe heranreichte, die die dreist und beharrlich Einlaßbegehrenden von den gnädig Einlaßgewährenden trennt, und daher ihren Arm in die Höhe halten mußte, um die Aufmerksamkeit des Beamten zu erlangen. Kleine Leute haben es halt schwer, davon könnte z.B. auch Michael Gerhardt, der ebenfalls verschwindend kleine Staubsauger-Autor manch moll-lastiges lied singen. Doch auch große Menschen haben reichlich Anlaß, Klagelieder vorzutragen: Obwohl ich mit meinen 184 cm keineswegs ein Riese bin, ärgert es mich doch schon seit vielen Jahren, daß allenorts Spülen und Waschbecken viel zu niedrig angebracht sind, und diverse mir bekannte Herren, die an die zwei Meter heranreichen, berichteten mir glaubhaft, daß ihnen Abwaschen eine wirkliche körperliche Qual sei und ihnen ernste Rückenbeschwerden bereite. Und daher meine ich, daß solange die Herren Architekten die Spülen in Kinder- und Frauenhöhe anbringen, sollen gefälligst auch Kinder und Frauen das Spülen übernehmen, oder aber die Baugesellschaften greifen künftig zu weiblichen Architekten, die Spülen mit listiger Rücksicht auf ihre Busengenossinnen höher anbringen. Natürlich gibt es auch große Frauen. Birqit Breuel oder die dänische Königin Margarete, die brauchen von mir aus nicht abzuwaschen.
Sicher wird mir jetzt allseitige Zustimmung entgegengeschmettert werden, wenn
ich meine, daß Osterhasen und -eier ja wohl die perfekte Überleitung
von Kopenhagen nach Treuenbrietzen darstellen, wohin ich übrigens in einem
aus dem Jahre 1963 stammenden Trabant gefahren wurde, der im Gegensatz zu den
heute gebauten nicht vollständig, sondern nur teilweise aus Pappe besteht.
Ein bißchen Holz und Metall ist auch dabei. Der Fahrer war ein netter
Ost-Boy namens Ben, der eine Freundin hat, die so lange Haare hat, daß
sie jede Nacht einmal aufwacht und schreit: "Du liegst auf meinen Haaren!".
- In Treuenbrietzen besuchte man dann einen Kaninchenzüchter, der nebenbei
eines der in der DDR nicht zahlreichen privaten Tonstudios betreibt, wo liebe
mir bekannte Ost-Wesen einige geistreiche Chansons auf Band bannten, wozu ich
ein wenig mitzusummen die freundliche Einladung hatte. In diesem kleinen Achtspurstudio
stehen einige feine westliche Gerätschaften herum, und 300 DM für
einen Studiotag ist auch für DDR-Verhältnisse überaus preisgünstig
- doch ich sollte mich hüten, hier zu fachsimpeln. Ein Autor muß
immer daran denken, daß die Leser ja nur Laien sind, die von all den Daten,
Fakten und Formeln, die uns Studiofachleuten aus allen Körperöffnungen
herauskeimen Tag und Nacht, daß meine Leser ja von all diesen Dingen keinen
Schimmer haben, sonder ganz einfache Jungen und Mädchen sind, die sich
noch in der Ausbildung befinden oder aber - da darf man keine Scheuklappen aufsetzen
- häufig auch vergebens auf einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz warten,
resignieren, mit der Flasche kämpfen oder geistig veröden - Nein,
nein, ein Autor darf die Leser nicht überfordern. Das sind ja alles ganz
einfache Schüler und Studenten oder junge Arbeiter, Witwen und Witwer des
industriellen Zeitalters, denen der westliche Alltag mit Schlegeln und Keulen
auf den von Schulstreß und Umweltverschmutzung ausgemergelten Leibern
herumpaukt, uns die sich dann von ihrem bißchen Taschengeld mal eine Popgruppe
ansehen, damit sie mal wenigstens für zwei Stunden alles vergessen können,
was sie bedrückt oder sich den Staubsauger kaufen, den sie dann heimlich
unter der Schulbank lesen. Nach illegal schlafsackverbrachter Nacht (Mein Schlafvisum galt nur für Ost-Berlin) brach ich mit einigen Herren zum Stadtbummel auf. Kaum war die Straße betreten, zuckten wir zusammen: Ein furchtbares Geräusch schmerzverzerrte unsere Anlitze. Eine Kreissäge? Von einem Lastwagen aufs Kopfsteinpflaster fallende Milchkannen? Aber nein: Es war nur eine ältere Treuenbrietzerin gewesen, die uns einen guten Tag wünschte. Zum Mittagessen (Kartoffeln mit Raspel-Salat) trank ich eine Flasche Tonic-Water, wobei mir die Ost-Kumpanen erläuterten, daß DDR-Tonic kein Chinin mehr enthalte, weil das zu teuer sei. Stattdessen verwende man als Bitterstoff Strychnin (das ist kein Scherz); man müsse aber 48 Flaschen binnen zwei Minuten trinken, damit es tödlich wirke. Auf der Flasche steht aber lediglich: "Enthält kein Chinin". Sowas wäre bei uns nun aber doch nicht möglich. Auch die Vollmilch wurde von der DDR abgeschafft. Es gibt nur noch eine 2,2%ige Plörre, was drüben auch noch mit "besserer Verdaulichkeit" begründet wird. Butter gibt es auch nicht mehr, sondern nur noch Dreiviertelfettbutter. Deswegen bröckelt das Zeug drüben so. Man kann also sagen, daß man zumindest butter- und getränkemäßig hier im Westen besser dran ist, zumal es jetzt endlich bei ullrich "Framboise-Mort Subite" zu kaufen gibt, das weltbekannte belgische Himbeer-Bier. Das ist aber keineswegs eine süße Sekretärinnen-Erfrischung wie "Berliner Weiße", sondern etwas überaus herbes. Allerdings kostet eine kleine Flasche DM 4.20, was man allerdings für ein Bier namens "Himbeere-Sofortiger Tod" ruhig mal anlegen kann. Nicht zu empfehlen ist jedoch ein Besuch der Gasthausbrauerei "Luisenbräu" am Schloß Charlottenburg, dort sitzen nur lauter kreischende Weiberstammtische drin, das Bier ist fade und macht nicht besoffen. Außerdem steht auf den Gläsern "Seit 1987", was irgendwie blöd ist. Und weil ich gerade am Nicht-Empfehlen bin: Loriots "Ödipussi" muß auch nicht sein. Opi scherzt für Omi. Der biedere Fernseh-Humor ist zwar nicht so unerträglich wie Otto oder Hallervorden, aber sicher keinen Kino-Abend wert. Auf der neuen Morrisey-LP dagegen sind mindestens drei gute neue Ideen. Auf Wiedersehen. |
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