Dreigeteilt? Niemals! *************** von Onkel Max

Einkaufen mußte ich noch, in der Innenstadt war ich, und mir fiel und leuchtete ein: "Nicht viel schleppen, nicht weit loofen, lieber gleich bei ullrich koofen! Gesagt, getan. Wer das erste Mal in dieser riesigsten und ramschigsten aller Berliner Ramschhallen eingekauft hat, wird sich schwören, da nie wieder hineinzugehen. Diese viel zu großen Einkaufswagen, mit denen man ständig Riesenumwege fahren muß, weil nie zwei von denen aneinander vorbeikommen in den engen Gängen und die so groß sind, daß man sie gar nicht überblicken kann und immerfort kleinen bummeligen Omas an die Hacken fährt. Sie sind so groß, daß man beim Auspacken der Karre fast hineinfällt oder sich zumindest einen Rückenschaden holt so tief sind sie. Die Plastiktüten sind dafür aus so dünnem Material, daß die Henkel sofort reißen, tut man auch nur einen Zweiliterkasten Milch hinein. Diese irrsinnig überdimensionierte Schnaps- und Süßigkeitenabteilung! Ist das alles, was man im Leben braucht? Das wohl aber schlimmste sind die sich über Gegensprechanlagen in ärgstem Berliner Argot gegenseitig anschreienden Angestellten des Hauses. Wenn mal keine brüllenden Kassiererinnen aus den Lautsprechern tönen ("Kann mir jefällixt endlich ma eena saren wat det Zehnapack Hakle dreilagich Klopapier kostet?"), ertönt meist merkwürdig schicksalsschwere Musik in Moll, vermutlich liberace-Adaptionen von Rachmaninoff. Den Käufer versetzt das alles bald in eine weltschmerzhafte Trance, er empfindet das Leben als sinnentleert und greift melancholisch zu den groteskesten, aber vielleicht
ja doch Trost spendenden Produkten. Tritt er dann aus dieser infernalischen Scheune hinaus unter die belebte Zoo-Überführung, ist es wie ein Erwachen aus einem bösen Traum: Was, was, was - 46 DM und 30 Pfennig ausgegeben! Er würde dann freundlich zurücklächeln und uns von seiner dicken Apanage ein Taxi zu Trevor und Anne spendieren, mit denen wir dann gehörig einen zischen.Lange ginge das, und wir würden staunen, wie gut sich vier so verschiedenen Menschen wie wir verstehen. Und selbst im tollsten Rausch würden wir nichts zertrümmern, allenfalls würden Trevor und Prince Charles jemanden ein Bier auf den Kopf schütten, Kade Schacht oder Ric Schachtebeck vielleicht. Ich würde es nicht tun, dazu bin ich zu vornehm, aber ich umgebe mich manchmal gern mit Leuten, die ein kleines bißchen weniger vornehm als ich sind. Mit Kade Schacht und wenn es sein muß auch mit Ric Schachtebeck. Das sind sicher keine schlechten Menschen, die alles zertrümmern, aber sie sind unvornehm genug, daß man ihnen Bier auf den Kopf gießen kann. Ich will aber bitte kein Bier auf den Kopf gegossen kriegen, obwohl ich eventuell auch manchmal nicht ganz vornehm bin, besonders wenn ich mit Prince Charles einen zischen gehe. Aber ein schlechter Mensch bin ich deswegen noch lange nicht, ich bin keiner, der nachts auf ehrwürdigen Friedhöfen randaliert und Grabsteine zertrümmert. Grabsteine soll man achten und solange stehen lassen, bis sie von alleine umfallen und eins werden mit der mütterlichen warmen Erde. Gallensteine soll man zertrümmern, nicht Grabsteine! Ach, warum müssen böse Menschen bloß immer alles verwechseln. Ja, böse Menschen sollte der Staat in den Steinbruch schicken und so lange schuften lassen, bis sie umfallen und eins werden mit der mütterlichen warmen Erde. Da haben sie dann Zeit, sich zu überlegen, ob es richtig ist, Frauen zu hauen oder dünne junge Männer!
Ich selber bin schon deswegen ein guter Mensch, weil ich nicht gerne in einem Steinbruch arbeiten würde als böser Mensch. Wer weiß, was es mal für Regierungen gibt. Vielleicht komme ich selber mal an die Macht und dann müßte ich ja als schlechter Mensch selber in den Steinbruch. Nein, da bin ich lieber ein guter Mensch. Wenn gute Menschen an der Macht sind, ist es eh besser. Mit 40 schreibe ich meinen ersten großen Roman, mit 50 komme ich vielleicht an die Macht. Wie lange das bei mir alles dauert! Ich bin halt ein Spätentwickler. An meinem 15. Geburtstag war ich noch immer nicht im Stimmbruch. Ich redete wie eine Nachtigall, besonders wenn man mich zum Fußballspielen zwang. Es war schrecklich. Aber als der Stimmbruch dann kam, war es auch schrecklich. Aber im Stimmbruch zu sein ist lange nicht so schrecklich wie im Steinbruch zu arbeiten! Deswegen rate ich den bösen Menschen unter den lieben Lesern: Überlegt euch das gründlich, wenn ihr wieder vorhabt, Stühle, Schränke oder Theken zu zertrümmern! Wenn ich an die Macht komme, kommt ihr in den Steinbruch und ich werde mit Prince Charles auf meinem Sofa sitzen und mir in mein und sein Fäustchen lachen. Ehrlich, Rabauken: Es ist viel besser ein guter Mensch zu sein als ein schlechter.
© 1987 Ich und mein Staubsauger    [Zurück zum Titel]