Kein Aufschrei geht durch unser Vaterland**** von Onkel Max

Ja, noch während des Schreibens der Überschrift trug ich mich mit dem Gedanken, meinen Artikel mit einer breitangelegten Rezension der vor elf Jahren erschienenen Axel Springer-CD "kein Aufschrei geht durch unser Vaterland", die ich heute früh im Spendenkeller des Spandauer Johannisstifts erstand, zu beginnen, aber Trevor, einer der beiden Herausgeber dieses schönen Druckerzeugnisses, der übrigens nach nur wenigen Bieren regelmäßig bisexuell wird und gestern im Loft bei dem doofen Sneaky Feelings-Konzert durch bedenklich entzündetes Zahnfleisch auffiel, würde sicher meinen, daß sowas die Leser nicht recht fessele. Also will ich meinen kleinen Beitrag drei Themen widmen, von denen ich sicher bin, daß sie den meisten Menschen den Atem verschlagen: Koteletten, korrektes Kaffeekochen und Ric Schachtebeck. Letzterer hat nämlich genau wie Trevor, Michael Gerhardt und ich die La Fura dels Baus-Premiere besucht und dann vor dem Tempodrom Eingang einen Zettel mit seiner Adresse verloren oder, man kann ja nicht wissen, absichtlich fallengelassen. Vielleicht hat er auch jemanden kennengelernt und ihm die Adresse aufgeschrieben, und dieser Jemand dachte dann später, daß er Ric Schachtebeck lieber doch nicht kennen will und zerriß den Zettel. Aber das ist ja müßiges Spekulieren! Jedenfalls habe ich den Zettel gefunden, und Trevor meint, ich hätte gesagt: "das ist ja die Adresse von dem unangenehmen Ric Schachtebeck!" In Wirklichkeit habe ich aber gesagt: "Das ist ja die Adresse von Ric Schachtebeck von der unangenehmen Kondom-Reklame!" Ric Schachtebeck ist nämlich ein gutaussehender Theatermann (jedenfalls siegt er auf der Kodom-Reklame gut aus. Nein, ich stehe nicht auf sowas Früher mal vielleicht. Jaja.), der auf Safer-Sex-Plakaten posiert und meint, er benutze Kondome. Diese Plakataktion mit all ihren weichgezeichneten, auf Seidenlaken schmachtenden oder sich am Meere räkelnden Schönheiten finde ich in der Tat unangenehm. . Wirksamer fände ich da einen abgemagerten Karposi-entstellten Durchschnittleich-Ausseher, der sagt:" Als ich mich angesteckt habe, gab es in schwulen Bars noch keine Kondom-Automaten." Aber nein, das würden ja die vergnügungssüchtigen Frisurenhascherl in ihren bezaubernden Treffpunkten eventuell unästhetisch finden. Doch zurück zu diesem Ric: Der fand es gar nicht gut, daß sein Adressenzettel im letzten Staubsauger abgedruckt war und rief erbost bei The Wilson Ehepaar an. Mit Trevor wollte er sprechen. Anne war ihm nicht gut genug. (Er spricht nicht mal mit Frauen?) Das mit dem Zettel ginge ja wohl nicht und ob das überhaupt erlaubt sei. Anne meinte, er sie außerordentlich unangenehm am Telephon gewesen. Also, lieber Ric Schachtebeck, hör mir mal zu: Wenn es dir nicht paßt, daß man deine Zettel veröffentlicht, dann schmeiß deine Zettel nicht überall herum! (Außerdem stehst Du, wenn auch als "H. Schachtebeck" ganz normal im Telephonbuch) Wenn der Ric jetzt hübsch angenehm ist und nicht mehr die arme Anne nervt, lade ich ihn mal zum Kaffee ein. Ich kann nämlich ganz toll Kaffee kochen. Und zwar Filterkaffee, nicht gallenbitteren Expresso, wo der ganze Prütt drin rumschwimmt in viel zu kleinen Tassen, nur weil das Savoir vivre sein soll. Nein man wähle eine ganz frisch geröstete Filtermischung – muß nicht Dallmayr sein, darf nicht "der freche Kaffee von Jacobs" sein – mahle diesen fein daheim, mische ihn im Verhältnis 1:6 mit Expressopulver (d.h. 1 Löffel Expresso auf 6 Löffel Filterkaffee), füge eine Prise Salz, ein wenig Zimt und deutlich weniger als eine halbe Messerspitze Muskat hinzu und ab damit in den Melitta-Filter und das dann in die selbstverständlich nur biologisch entkalkte – jawohl! – Kaffeemaschine. Blub, blub, zisch, knarr – schon fertig der ersehnte Extrakt. Doch nun beginnt die wahre Schwierigkeit: Was tut man hinein in den Kaffee? Die Antwort "Nichts" finde ich banausenhaft, aber ich akzeptiere es. Wer Zucker in Kaffee tut, ist fehl am Platz in diesem Land und disqualifiziert sich selbst. Kondensmilch hat einen zu starken Eigengeschmack, Kaffeesahne ist akzeptabel, Schlagsahne meist zu rahmig. Aber das ist immerhin alles möglich. Völlig absurd ist es, sich normale Milch reinzukippen, weil das den Kaffee nicht im gleichen Masse geschmacklich verfeinert, in dem es ihn verwässert. Ganz unmöglich aber, geradezu der Gipfel der Unkultur ist es, auf dem Kaffeetisch 2-liter-Familienpackungen mit teilentrahmter, d.h. anderhalbprozentiger "Milch" stehen zu haben und sich da mit Hilfe beider Hände in die Tasse zu kippen. Ich habe gehört, daß das in Frauen-Wohngemeinschaften besonders üblich ist. Milchfeindschaft ist sowieso ein feministisches Phänomen. ich persönlich bevorzuge für meinen Kaffee zur Zeit ein Gemisch aus pflanzlichem Kaffeeweisser und Schlagsahne von Butter-lindner, zu gleichen Teilen etwa. *** Doch nun noch ein paar Worte zu meinen umstrittenen Koteletten. Meine Friseurin fand sie unmöglich, weil sie sie an Biertrinker an Oberhausener Kiosken erinnern, Gerd Pasemann fand, sie machten mich feist und eine Verkäuferin von Hertie meinte, ich erinnere sie so an einen Darsteller von "Fackeln im Wind". Zuerst hatte ich ja noch die langen, bis zum Munde reichenden, "Flavuren" oder "Backenbart". Aber auch die gekürzten kommen jetzt weg. Sie langweilen mich. Ich verlose die Haare unter allen, die an den Staubsauger eine Postkarte schicken, auf der steht "Die Hauptstadt von Rumänien heißt Budapest". Ich meine nicht die einzelnen Haare, sondern alle, in einem Pergamenttütchen.
© 1987 Ich und mein Staubsauger    [Zurück zum Titel]