Wer kennt sie nicht, die Kultgruppen, die derzeit wie Pilze nach Regen aus dem Boden schießen, also meist kennt man sie ja nicht, da aber jeder einigermaßen drittklassige schwarzgekleidete Langweiler angeblich seit zwei Wochen nichts anderes mehr hört und die Oberschleimer vom Tip in ihrer degoutanten 'Inside'-Rubrik sich nur noch geifernd über die Schlüpferfarbe der Sängerin äußern, muß ja wohl was dran sein (doch wenn die Gepriesenen dann im KOB oder ähnlichen Hippieläden aufgetreten sind und - wie nicht anders zu erwarten - grauenvoll schlecht waren, will es wieder keiner gewesen sein.
KINDER, SO GEHT DAS NICHT!
Der Begriff 'Kult' ist viel zu ehrfurchtsgebietend, um ihn drittklassigen Gitarreschändern (in meiner Jugend nannte man das 'ruhestörenden Lärm') oder aufgedunsenen (Stadt) Magazin - Schmieranten zu überlassen. Die wahre Größe liegt doch im Versteckten und Abseitigen (oder Abwegigen) jenseits der breiten Prachtstraßen und glitzernden Boutiquen. Ein Schritt in die richtige Richtung war da z.B. die Wahl der Mohrrübe zum Kult-Gemüse des Jahres 1987, und zwar auf dem großen Erbsenball der Deutschen Landjugend in Feuerschützenbostel, Kreis Celle, am 31.1.1987. Wenn man bedenkt, daß dieses oft unterschätzte Gemüse einen IQ besitzt, der nur knapp unter dem eines durchschnittlichen 'Wiener' - Redakteurs liegt, wobei, zieht man den Vitamingehalt in Erwägung, der Vergleich doch eindeutig zugunsten der Möhre ausfällt, liegt es auf der Hand, dem popfarbenen Gemüse einen besonderen Status einzuräumen. Sollten sich 'Wiener' (oder 'Tempo') Redakteure beleidigt fühlen, mögen sie bedenken, daß ich sie immerhin über den Möhren angesiedelt und jeden Hinweis auf z.B. Broccoli unterlassen habe, da wären die Vergleiche umso peinlicher ausgefallen - aber nicht für das Gemüse.
Nehmen wir ein weiters Kultobjekt: den Kuli. Dieser hat es, im Gegensatz zu Journalisten, schon zum Objekt religiöser Verehrung gebracht. Die Wakuzi-Sekte im nördlichen Hokkaido betet beim ersten Frühlingsvollmond eine phallusförmige Skulptur an, die aus bislang ungeklärten Gründen einen Seitenklip besitzt und innen eine Schneider-Mine beherbergt. Bei der abschließenden Bitt-Prozession für eine gute Makrelenernte (geerntet ist vielleicht der falsche Begriff, auch auf Hokkaido werden Makrelen immer noch mittels selbstgeknüpfter Netze gefangen)

Mann

Schwarz - tragen Männer, die dramatische Szenen lieben

 

Kult


Kult


Kult


KultKultKult

 

 

Kult


Kult


Kult

schwenken die Gläubigen Kulis wobei Männern nur schwarze, Frauen nur rote Minen zugestanden werden, für die Hohepriester und jungfräulichen Sekretärinnen gibt es dagegen blaue Minen. (Diese Informationen verdanke ich übrigens der bekannten Hokkaidoistin Bettina Storm).
Weitaus größere Berechtigung zur Inanspruchnahme des Kultstatus als irgendwelche Petrrrras hat in Berlin z.B. die Kultbäckerei Kränkel in der Joachim Friedrich Straße. Wenn jemals ein Ort seinen Namen zu recht getragen hat, dann dieser. Schom beim Betreten des Ladens muß man sich vorsehen, um nicht mit über die Schwelle taumelnden Greisinnen zu kollidieren, die mit versiegender Lebenskraft unerträglich verfettete und asthmatisch keuchende Dackel an zitternder Leine hinter sich herschleifen. Drinnen umfängt dich sofort eine Atmosphäre äußerster Trostlosigkeit und zynischsten Lebensüberdrusses. Bleiche hohlwangige Verkäuferinnen krallen sich an den Regalen fest, um nicht niederzustürzen, und fragen mit ersterbendem Flüstern nach deinem Begehren, sich ab und zu, mit schmerzverzerrtem Gesicht und unter Krämpfen winden, in die Seiten greifend. Selten sieht man den Chef, meist befindet er sich im Krankenhaus, wo ihm eines der immer spärlicher werdenden Organe amputiert oder transplantiert wird.
Vor Deinen zuckenden und tränenden Augen breitet sich auf blassen Regalen das schwindsüchtige Angebot aus: Amerikaner mit einer Glasur aus blaßschimmernden Ausfluß, Streuselkuchen, bedeckt von unzähligen eiterpickelartigen Gebilden, Rumkugeln in Form und Farbe äußerst bedenklichen Stuhlganges, Weingummierzeugnisse in Pißgelb oder Popelgrün, Schrippen, deren bloßer Anblick das Blut in panischer Angst aus dem Kopf fliehen und die Augen in blankem Entsetzen überquellen läßt. Seit einiger Zeit bietet man Pizzaschnecken an, die aussehen, als ob sie mit Erbrochenem belegt seien. Und frage niemals nach Kuchen von vorgestern (wie in allen berliner Bäckereien sind die Backwaren eh von gestern) - die Verkäuferin wird mit einem mongoloiden Grinsen auf ihre Hungerödeme deuten und röcheln: Ich konnte nicht anders...
Das ist Kult, meine Damen und Herren! Aber nicht das, was sich unsere verwesenden Berufsjugendlichen in den Zeitschriften- und Rundfunkredaktionen so vorstellen.

© 1987 Ich und mein Staubsauger    [Zurück zum Titel]