Sprich Dich aus
Jeder klagt über das Wetter (außer Max), alles sitzt verzweifelt in düsteren Buden und rauft sich die Haare; hätte man das Geld statt für knappe T-Shirts doch bloß für festes Schuhwerk oder schicke Schirme ausgegeben!


Auch ich habe die literflasche Sonnenöl, die ich mir im Frühjahr 1986 in einem Anfall geistiger Umnachtung bei ALDI geholt hatte, nun schon den zweiten Sommer eingemottet, doch: ich verzage nicht. Wenn das miese Wetter der Preis dafür ist, daß Mitteleuropa nicht von Erdbeben, Hungersnöten und Bürgerkrieg heimgesucht wird sondern höchstens von schwäbischen Turnern und drittklassigen Rapkapellen, dann laßt uns daraus was machen. Bietet sich doch die Chance für allerlei Geselligkeiten im trauten Freundeskreis, zu deren Gelingen der Staubsauger einige lustige Spiele beisteuert.
[Ich sehe aus wie ein Mädchen]

1. Fang den Thomas Anders

Zugegeben eine etwas haarige Angelegenheit für Menschen mit starken Nerven. Man braucht dafür ein Videogerät samt TV und die Videokassette von Modern Talking, die ja in jeden guten Haushalt gehört.
Die Mitspieler sitzen im Halbkreis um den Fernseher und schauen auf den Boden. Einer steht hinter ihnen. Nun wird die Kassette eingeschaltet, der unvergleichliche Sound von Modern Talking erklingt und zerrt sanft an den Nerven, alles starrt gebannt auf den Boden, und mit gutem Grund, denn wer will sich schon freiwillig Thomas Anders anschauen. Der Aufrechtstehende hat nun die Aufgabe, die Sitzenden zu eben dieser Untat zu animieren. Dazu schreit er alle paar Sekunden: 'Jetzt müßt ihr kucken Jetzt wird's toll, Mensch Kuck doch, jetzt!! Jetzt!!!' und so weiter. Schaut einer der Sitzenden endlich hoch und erblickt in dem Moment Thomas Anders auf dem Bildschirm, so hat der 'Animateur' einen Punkt gemacht, während sich das beklagenswerte Opfer vor Ekel schüttelt und wieder auf den Boden starrt, Sinn des Spieles ist es natürlich, möglichst viele Punkte zu machen, indem man die Leute dazu bringt, sich Thomas Anders anzuschauen. Eigentlich ein Spiel für Masochisten, aber auch für liebhaber erlesener Geschmacklosigkeiten, zu denen ich die Staubsauger-Leser ja hoffentlich die Ehre habe zu rechnen.

Erlangen, 17.3. (ADN) Die Bibel wird umgeschrieben! Der neue Anfang des Alten Testamentes wird voraussichtlich "Im Anfang schuf Gott Kater Himmel und Erlangen" Lauten. Dies teilte der erlangener Fremdenverkehrsverbandspräsident Kater mit.

2. Wavegespräche

Dieses Spiel kann man in zwei Variationen betreiben:
  • a) normal
    Man unterhält sich wie gewöhnlich, allerdings muß man darauf achten, die Begriffen "Kunst"/"Art", "modern", "New York", "Vernissage" (wie immer man daß schreiben mag) und "Performance" nicht zu erwähnen. Man sollte zu diesem Spiel einige gestandene Waver einladen, dann stehen die Verlierer immer schon vorher fest, Bezugsquellen für Waver erfahren sie im Querelle oder bei Bravo.
  • b) stumm
    Bei dieser Abart (hier sehr passend) sitzen alle, vielleicht mit einem Cocktail in der Hand?, irgendwo dumm herum und schauen stumm und blasiert in die Welt, gewonnen hat wer am längsten stumm und blasiert dasitzt oder –steht.

Neulich kam es allerdings zu einem Zwischenfall auf einer Waveparty: gerade wollte der Spielleiter dem Gewinner, der schon seit 5 Stunden vollkommen blasiert in einem Freischwinger thronte, zu einem neuen Rekord gratulieren, da erklärte der leichte Leichengeruch, der von dem beklagenswerten jungen Mann ausging, das Zustandekommen dieser eminent wavigen Blasiertheit.

Womit mal wieder bewiesen wäre, daß sich ein Waver nur um Nuancen von einem 100% Toten unterscheidet. Und dies zur Versöhnung mit dem Wetter: man kann a) unbesorgt bei offenem Fenster schlafen, da es keine Insekten gibt, die reinkriechen könnten, und b) stolz seine berliner Blässe zur Schau stellen, da alles Sonnen(studio)gebräunte zur Zeit irgendwie dämlich und unpassend aussieht.

Michael Gerhardt

© 1987 Ich und mein Staubsauger    [Zurück zum Titel]