Slipeinlagen * Sarah Bernhardt * Mongolismus * Reaktorunglücke * Eklige Miniröcke * Grotten * Toms Bar* Kumpelnest 3000 * von Onkel Max
Schon immer hat es mich gewurmt und gepiesackt, daß meine fabelhafte Schreibmaschine "Gabriele 9009" zwar eine Zirkumflextaste hat(^), ich sie aber in Ermangelung frankophoner Korrespondenzen nie zu benutzen Gelegenheit hatte. Insofern ist es erfreulich, daß ich jetzt etwas über meine kleine Reise nach Frankreich, der Heimat des Buchstabenhütchens, schreiben kann.
Ich und meine brünette Bekannte Ilona waren nämlich auf Belle - Île - en - Mer, einer hübschen bretonischen Insel von der Größe Reinickendorfs, d.h. sie ist immerhin achtmal so groß wie Kreuzberg bzw. erheblich größer als Tempelhof. Dort saßen wir oft in Crêperien möglichst dicht am fenêtre, um die Horden von Mongoloiden durch den Regen latschen zu sehen, die einem dort auf Schritt und Tritt begegneten, was mich anfangs sehr verwirrte. Ilona erklärte, das seien halt die Inselblödis, das käme von der an entlegenen Orten üblichen Inzucht, das sei auf allen Inseln so. Ich entgegnete, auf Amrum, Norderney und der Mainau, wo ich auch schon gewesen sei, wäre mir das aber gar nicht aufgefallen, worauf sie meinte, ich würde halt nicht auf meine Mitmenschen achtgeben und nur für mich selber Interesse haben. Die Frau war nämlich gereizt. Der Grund: Sie vertrug die französischen Tampons nicht. Die seien so groß. Sie hat mich dann auch gleich Slipeinlegen kaufen geschickt, was insofern schwierig war, weil in meinem Universal-Wörtefbuch das Wort Slipeinlagen nicht drin steht. Es müßte stehen zwischen Slalom und Smaragd, aber da steht es leider nicht. Auch Damenbinde ist nicht drin, statt dessen: Dammhirsch. Ich radebrechte dann etwas von "quelquechose pour la menstruation des femmes". Ilona war dann jedenfalls zufrieden. Mich störte dann aber, daß sie die Dinger an den unmöglichsten Orten wechseln mußte, z.B.während einer Radtour tat sie es hinter einem Menhir, einem Jahrtausende alten Zeugnis der Megalithkultur! Außerdem mißfiel es mir,daß sie die kleinen Tütchen, in die man die gebrauchten Binden stecken soll, als Verpackung für unsere Ausflugs-Tomaten verwendete. Mit Frauen verreisen ist halt so eine Sache. Ständig müssen sie aufs Klo, und weil ja meist keins in der Nähe ist, machen sie in ein Gebüsch und man muß dann aufpassen, daß keiner kommt und guckt. Ilona sagte immer: Ich muß jetzt puschen. Nein, dieses Wort! Das Frauen "pissen" sagen, würde ich zwar auch nicht begrüßen, aber sie könnten wenigstens sagen: Ich muß pullern. Jawohl: pullern. Das klingt doch hübsch fraulich. Darüberhinaus haben selbst Frauen mit exquisitem Geschmack in Toilettenfragen auf Reisen die Angewohnheit, grauenhafte Miniröcke und Strampelhöschen anzuziehen, sobald auch nur ein winziger Sonnenstrahl zu sehen ist. Ich entsinne mich gut einer Reise mit Simone 1984, auf der sie 10 Tage lang ununterbrochen einen türkisenen Cord-Minirock mit Gesäßtaschen trug und dazu einen orangenen Rucksack. Solange wir an irgendwelchen Naturschönheiten, diem einen Blick von dem entsetzlichen Un-Rock abzulenken vermochten, vorbeikamen, ertrug ich es tapfer, aber einmal standen wir drei Stunden an einer Autobahnauffahrt, und ich hatte ständig das türkise Ding mit den darausstakenden X-Beinen vor Augen, sodaß ich Simone alleine stehen ließ und brüllend davonlief.
Wir sprachen ein halbes Jahr lang nicht ein Wort miteinander, aber dann brauchte sie meinen Synthesizer und da mußte sie schon wieder sprechen.
So arg war es mit Ilona freilich nicht. Aber eines Morgens weckten mich Sonnenstrahlen - und ich hasse es, von der grellen Sonne geweckt zu werden, und das erste was ich sah, war Ilona in Hot Pants im Safarilook, die sich begeistert im Spiegel betrachtete und zwitscherte, daß es ein wunderschöner Tag sei und daß wir heute bestimmt tüchtig braun werden würden. Daraufhin grunzte ich etwas in der Tat recht Grobes über ihre Beine und daß ich so mit ihr nicht auf die Straße gehen würde. Wir sprachen drei Stunden nicht miteinander.
Abends mußte sie mich dann immer zeichnen. Ich saß auf einem Kai und mußte eine Stunde lang bewegungslos ein Boot anstarren, nicht mal rauchen durfte ich dabei, weil sie sonst meinen Mund nicht hingekriegt hätte. Wenn ich ihr dann sagte, sie solle nicht immer so krisselig und strichelig zeichnen, gab sie zurück, alle großen Zeichner hätten so gestrichelt gezeichnet, ich solle mal in ein Museum gehen.
Zu Belle Île wäre noch zu sagen, daß die bedeutende Tragödin Sarah Bernhardt dort vierzig Jahre lang ihren Urlaub verbrachte. Sie soll dort meist in einem Butterfaß rührend aufs Meer geblickt haben, aber Butter hätte sie nie hingekriegt, nur eine Art Käse, der auch nicht gut gewesen sein soll. Jetzt ist ein Felsen nach ihr benannt. Ihr Haus haben wir nicht besichtigt, weil die Straße dorthin so steil ist. Wir fuhren stattdessen zur Apothekergrotte, in der in den letzten zehn Jahren zwölf Menschen tödlich ausgerutscht sind. Wir fanden den Abstieg auch wahnsinnig gefährlich und fühlten uns schon heldenhaft, was nachließ, als wir in der Grotte eine Pädagogin vorfanden, die gerade einer Gruppe mongoloider Kinder erklärte, wie Grotten entstehen.
Michael Gerhardt erzählte mir gestern, er würde jemanden kennen, der kürzlich mit dem Jungen von der alten Kinder-Schokolade-Packung geschlafen hätte, also dem Jungen mit der kleinen Fliege, der müßte jetzt auch Mitte bis Ende Zwanzig sein. Das schreibe ich nur, weil mir neulich etwas ganz ähnliches passiert ist: Ich verbrachte eine Nacht mit einem Überlebenden eines Reaktorunglücks! Er heißt Joe Hovan, stammt aus Harrisburg/Pennssylvania und lebt noch. Er trat am 26.5. um 3.00 morgens in Tom's Bar auf, ich bin zur gleichen Zeit dort aufgetreten und so kam das dann. Wir haben dann noch diverse Nächte verbracht und besuchten auch das Kumpelnest 3000, wo laut einem Freund von Michael Gerhard eine betrunkene Negerin auf die Theke springt und ihre Grotte zeigt, wie Lars Bayer, Chefredaktor des "Schlüsselloch" das immer so nett formuliert. Bei meinem letzten Besuch im Kumpelnest 3000 tat sie es aber nicht. Sie stürzte zwar sogleich auf mich zu, aber nicht grottenmäßig, sondern sie deutete gestikulierend auf diese dürre Fixerin, die da immer in der Ecke liegt und meinte, das sei eine "bitch" und die müsste doch eigentlich schon längst tot sein, das die immer noch lebe sei ja unglaublich und 42 sei die schon.
© 1987 Ich und mein Staubsauger    [Zurück zum Titel]