Da sagt man immer, drüben gäbe
es nur parteikonforme literatur! Ist mir doch neulich ein Buch in die
Hände gefallen, dessen staatszersetzende und antikommunistische Haltung
umso mehr verwundert, als es sich um ein Produkt des VEB Verlag Enzyklopädie
Leipzig handelt. Der Name der Hetzschrift: Deutsch-schwedisches Konversationsbuch.
Allein der Gedanke, Genösse H. könne mal flugs mit dem Konversationsbuch
im Rucksack nach Stockholm jetten, weckt gefährliche Assoziationen. Dabei
weiß man ja, welchen Ärger schon ein Kurzurlaub bei Tante Uschi in Kötschenbroda
bereiten kann. Statt sich zurückzuhalten, wird noch eins drauf gesetzt:
Was soll ein DDR-Bürger z.B. mit einer Angabe (unter "Zahlen, Maße
und Gewichte") wie "ein Viertelkilo Kaffee" anfangen? In
solchen Dimensionen denkt man dort nicht, da bringt Oma einmal im Jahr
zu Weihnachten ein Pfund Jacobs vom Westbesuch mit, das reicht dann bis
Ostern.
Oder "2oo Gramm Pralinen"? Im Einzugsbereich des Westfernsehens
(Mon Cherie-Reklame) mag solch eine Wendung ja noch gewisse Assoziationen
wecken, aber spätestens in Dresden hält man so etwas für eine sowjetische
Spezialschraube.
Und die Wendung "Reisen Sie privat?" ist ja nun wirklich der
blanke Hohn für jemand, der zeitlebens nur in "Arbeiter-, Frauen-,
Gewerkschafts-, Jugend- und Sportdelegationen" (S.38) verschickt
wurde.
Von diabolischer Feinfühligkeit sind die ständigen Konfrontationen des
Ost-Bürgers mit für ihn unerreichbaren West-Erscheinungen.
"Wie wird 'Jeans' ausgesprochen" (S.42) fragt man sich sicher
nicht nur im Trikotagenwerk El Pico in Lößnitz, der Heimat volkseigener
Nietenhosen. Und der Begriff "Eigentumswohnung" ist der Sozialistischen
Moral weiß Gott mehr als abträglich.
Gut, es gibt Passagen von ergreifendem Sozialistischen Realismus, besonders
im Kapitel "Reisen" ("Füllen Sie bitte das Formular aus";
S.53), aber schon im Abschnitt: "Geldumtausch" fragt man sich,
was eigentlich eine Frage wie "Wo kann ich Geld wechseln?"(S.56)
für einen DDR-Bürger in einem seriösen Land soll: Gibt es denn niemanden,
der mir mein schäbiges Schlusengeld umtauscht, nehme jeden Schummelkurs
!! -so muß es doch wohl richtig heißen. In jedem Zonenbewohner kommt da
Verbitterung hoch. Vollkommen überflüssig auch der Teil "Hotel und
Restaurant", da hätte ein "Dieser Tisch ist reserviert"
(S.1o6) ausgereicht, um die Bandbreite des Zonenservice zu erfassen. Umso
unverständlicher für einen DDRler, daß "Sie werden plaziert"
fehlt - da könnte er ja direkt auf dumme Gedanken kommen.
Absolut irreal allerdings, unsere Broiler- und Krautfreunde auf einmal
mit "Rentierbraten, rohem Lachs, Bordeaux, Gänseleberpastete, Ananas,
Bananen und Kokosnüssen" zu betören, der zu erwartende Kulturschock
könnte sich tödlich für das sozialistische Bewußtsein auswirken.
Vollkommen mysteriös erscheint mir jedoch, warum 50(!!) Seiten auf die
Kapitel "Dienstleistungen" und "Einkaufen" verschwendet
wurden. Etwas, was man auch nur annähernd als "Dienstleistung"
bezeichnen könnte, gibt es in der Zone nicht, wie jedermann weiß, und
fürs 'Einkaufen' reicht ein einfaches "Hamwanich" (als "Dieses
Buch ist leider vergriffen" taucht es auf S.165 verschämt auf). Werden
da nicht Wünsche geweckt, deren Erfüllung angesichts der sattsam bekannten
Zonenwirtschaft zwangsläufig in einem Desaster enden muß? Wen wundert
es, daß auf S.171 ("Blumen") "Wie heißen diese Blumen?"
gefragt wird, eine Frage, die sich wohl jedem DDRler aufdrängt, wenn er
(durch welchen glücklichen Zustand auch immer) mit etwas anderem konfrontiert
wird als mit den roten Nelken zur Jugendweihe oder zum Aktivistentreff.
Wie peinlich wirken daneben Selbstbeweihräucherungen vom Schlage "haben
sie Zeitungen aus der DDR?"(S.165) oder "Kann man in Südschweden
das DDR-Fernsehen empfangen?"(S.185)-ja welchen geistig einigermaßen
gesunden Menschen soll denn das interessieren? Selbst ein gestandener
Apparatschik würde sich doch nach der Landung in Malmö sofort auf die
Bild-Zeitung stürzen(und nicht auf ihr Ostpendant Neues Deutschland).
Die Tatsache, daß das Kapitel "Parteien und Massenorganisationen"
("Sind sie Mitglied der SED?" S.229)länger ist als das Kapitel
"Vergnügungen", zeigt schließlich dem leidgeprüften Zoni eines
nur allzudeutlich: das Leben im Sozialismus ist halt kein Vergnügen, und
die Partei hat immer Recht.
Ob diese Erkenntnis mit 9 Mark(Ost) nicht etwas teuer bezahlt ist? Man
fragt sich, ob die Staats- und Parteiführung der Zone gut beraten war,solch
ein zersetzendes Machwerk auf den Markt zu werfen.
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