FOYER DES ARTS: DAS GESPRÄCH
Max Goldt interviewt Gerd Pasemann
Ort des Gesprächs: Mittelinsel des Ernst-Reuter-Platz. Ich und Gerd sitzen
dort - wie inzwischen stadtbekannt sein dürfte - jeden Nachmittag zwischen
vier und sechs und diskutieren die Weltlage.
Max: |
Foyer des Arts besteht in erster linie aus dir und
mir, nicht wahr? |
Gerd: |
Ja, das stimmt. Organisatorisch sind wir ein Duo.
Aber wenn wir live spielen, ziehen wir noch andere Musiker heran. |
Max: |
Ja, das stimmt. Zum Beispiel Agnes, die bezaubernde
blonde Geigerin. |
Gerd: |
Aber nein, die ist dieses Mal nicht dabei. Die hat
doch einen kleinen Sohn, den Felix bekommen. Aber Hartwig, der Bassmann,
Rainer Robben, der elegante Schlagzeuger und Axel, der Saxophonist
sind dabei. |
Max: |
Die sind alle wahnsinnig groß. Ist dir das aufgefallen? |
Gerd: |
Ja, alle sind über l.90. Ich wirke zwischen all diesen
Hünen fast puppenhaft... |
Max: |
Ja, wie Autos und Häuser aus dem Fenster eines Flugzeugs.
Das wirkt dann alles wie Spielzeug. |
Gerd: |
Ja, aber dafür habe ich ja einiges im Kopf. Wie komme
ich bloß immer auf diese wunderbar elegischen Melodien? |
Max: |
Das ist meistens folgendermaßen: Ich gebe dir einen
Text, den läßt du dann athmosphaerisch auf dich wirken,dann greifst
du zur Gitarre und summst dazu. Danach gehst du aus, in ein Kino,
eine Gaststätte, ein Cabaret, am nächsten Tag summst du wieder etwas
vor dich hin... |
Gerd: |
Wenn das mal immer so einfach wäre! Wie oft komponiert
man sich in eine Sackgasse hinein! |
Max: |
Ach l wo denn, deine Stücke sind doch prima. Ich habe
gehört, du spielst noch in einer anderen Gruppe. |
Gerd: |
Ja, das ist wahr. Die Gruppe heißt Unlimited Systems
und wir haben im Sommer auf dem Lofoten-Festival inNord-Norwegen gespielt.
Marianne Enzensberger, die Sängerin - du kennst sie vielleicht - trug
beim Singen ständig eine gelbe Öljacke und einen Regenschirm. |
Max: |
Auch bei dem lied über Anita Berber, das kokainistische
Nackttanz-Idol aus dem Berlin der Zwanziger Jahre? |
Gerd: |
Ja, da auch. Und weil sie wegen des Regenschirms nur
eine Hand frei hatte, hat sie sich mit dem Schellenring immer auf
den Bauch gehauen. Sie schrie nach dem Konzert vor Schmerzen. |
Max: |
Das ist ja drollig. Ist es wahr, daß ihr am 20.12.
im KOB spielt? |
Gerd: |
Ja, das stimmt. Und ich habe eine kleine Überraschung
für dich: Marianne hat einen Text über dich geschrieben! |
Max: |
Über mich? Mir fehlen die Worte! |
Gerd: |
Doch, über dich. "Max is a virgin" heißt
das Stück, und es kommt das Wort "Grünkernsuppe" darin vor,
weil dudie doch so gerne ißt. Und daß Marianne sich wünscht, du würdest
in asiatischem Stil über sie herfallen. |
Max: |
Wie fällt man denn in asiatischem Stil über eine Frau
her? Wie fällt man überhaupt über eine Frau her?Meinst du, Marianne
begehrt mich noch immer? |
Gerd: |
Nein, nicht mehr. Aber, das hat sie mir mal anvertraut,
nachts im Pinguin-Club, wo wir ja alle gern und oft sitzen, daß sie
dich einmal begehrt hat. Sehr begehrt sogar. Aber dann hast du sie
einmal verletzt. Sehr verletzt sogar. Und eine Frau erholt sich nur
langsam von solchen Verletzungen. |
Max: |
Ach je. Du bist aus Hamburg, nicht wahr? |
Gerd: |
Ja, mein Vater handelt dort mit Nüssen und Südfrüchten.
Ach ich weiß es heute noch, als wäre es gerade gestern gewesen, wie
mein Vater sich aufgeregt hat, als der Gesetzgeber plötzlich vorschrieb,
getrocknete Aprikosen mit dem Hinweis "stark geschwefelt"
zu versehen. Was hat er getobt!" Stark geschwefelt! 'Wie sich
das anhört! Das kauft doch dann kein Mensch mehr!" |
Max: |
Ja, aber glücklicherweise waren die Befürchtungen
unbegründet. Die Menschheit wird niemals auf hören, getrocknete Aprikosen
zu essen. Da kann der Gesetzgeber draufschreiben, was er will.
Aber jetzt mal was ganz anderes: Foyer des Arts machen ja momentan
recht viele Auftritte in Westdeutschland, und sogar in Österreich
und der Schweiz. Wird es auch einen Berliner Gig geben? |
Gerd: |
Ja, am 18.Januar im Loft zusammen mit Rubbermind Revenge,
die wir sehr schätzen. |
Max: |
Stimmt es, daß wir unsere nächste LP in Argentinien
aufnehmen werden? Und daß sie "Schleichwege zum Christentum"
heißen soll? Und das es bald eine Foyer des Arts-Single namens "Penis
Vagina" geben wird? |
Gerd: |
Das sind Gerüchte. Sicher ist nur, daß wir 1987 eine
neue LP herausbringen werden. |
Max: |
Ich freue mich jetzt schon darauf. Vielen Dank für
das Gespräch, Gerd. |
Gerd Pasemann interviewt Max Goldt
Ein Telefongespräch
Gerd: |
Hallo, hier ist Gerd. Du hast mich doch neulich am
Ernst Reuter-Platz so nett interviewt. Und jetzt kam mir folgende
Idee: Wie wäre es, wenn ich jetzt mal zur Abwechslung dich interviewen
würde? Ich schlage vor, wir treffen uns um 23.30 vorm Theodosius-Krankenhaus
in Lankwitz. |
Max: |
Aber Gerd, wie soll ich denn da hinkommen, ich habe
doch kein Auto. Können wir das nicht telefonisch machen? |
Gerd: |
Ja, das geht natürlich auch. Meine erste Frage lautet:
warum machst du eigentlich keine Bühnenshow? |
Max: |
Ich mache durchaus eine Bühnenshow. Eine sehr subtile
allerdings. Ich rolle mit den Augen, blähe die Nüstern, verschränke
die Arme, oftmals tapse ich mit dem Fuß auch den Rhythmus mit. |
Gerd: |
Das ist mir ja noch gar nicht aufgefallen! Wie reagiert
denn das Publikum? |
Max: |
Das Publikum tapst mit. |
Gerd: |
Das ist ja bombig! Was ist denn das Gefühl, vor soviel
tapsenden Menschen zu stehen? |
Max: |
Du, das ist ein einmaliges Gefühl. Wenn du das einmal
erlebt hast, vor 500 Menschen zu stehen, die alle einen Rhythmus mittapsen,
den du selber zu Hause auf dem Drumcomputer geschaffen hast, das gibt
dir ein Gefühl, das vergißt du nie im Leben. Das bringt eben nur ein
live-Konzert. |
Gerd: |
Du scheinst zu vergessen, daß ich derjenige bin, der
die meisten unserer Rhythmen auf dem Drumcomputer schuf. Aber Schwamm
drüber, Hauptsache, der Rhythmus zündet. |
Max: |
Ja, aber abgesehen von meinen spröden Gebärden haben
wir eigentlich keine richtige Bühnenshow. |
Gerd: |
Haben wir wohl. Früher war es Agnes, die hat bei einem
Stück miaut, und bei einem anderen gekichert. Jetzt ist es Axel, dessen
rheinischer Ausdruckstanz unsere Performance ja doch sehr bereichert. |
Max: |
Das muß man wohl so sehen. Für welches Blatt interviewst
du mich eigentlich? |
Gerd: |
Für das neue Fanzine von Anne und Trevor Wilson. In
deren Wohnung man nicht rauchen darf. |
Max: |
Ach, für die hab ich dich auch interviewt. Ansonsten
sieht es in deren Wohnung allerdings aus, als ob da alles erlaubt
ist. |
Gerd: |
Meinst du, die Zeitschrift wird ein Erfolg? |
Max: |
Nicht, wenn sie auch weiterhin nur über quietschende
Gardinen schreiben. Übrigens: Ich besitze gar keine Gardinen. Das
war unangenehm neulich, als das Haus renoviert wurde, da hatte ich
drei Monate lang ein Gerüst vor dem Fenster, und ausländische Arbeitnehmer
sahen mir beim Komponieren zu und haben sich ganz ungeniert darüber
unterhalten. Einer hat meinen Synthesizer als Heimorgel bezeichnet.
Trotzdem bin ich mit der Arbeit an meiner neuen Soloplatte "Restaurants
Restaurants Restaurants - 22 Hysterische Miniaturen" gut vorangekommen. |
Gerd: |
Ja, ich habe die Platte schon gehört. Sie ist wirklich
sehr gelungen. Und ein neues Buch soll ja auch geplant sein. Eine
letzte Frage hätte ich noch: Vor ein paar Tagen ist ja Cary Grant,
der größte Schauspieler der Filmgeschichte, gestorben. Wie wirst du
es da fertigbringen, unser Stück "Bau mir ein Haus aus den Knochen
von Cary Grant" zu singen ? Jetzt wo er tot ist, hat das ja einen
etwas schalen Beigeschmack |
Max: |
Ich werde das Stück niemals wieder singen. Oder vielleicht
doch. Ach, ich weiß nicht ein noch aus. |
Gerd: |
Das ist bitter. Tschüß, Max. |
Max: |
Auf Wiederhören, Gerd. |
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